Die Impfung ist derzeit der Königsweg aus der weltweiten Corona-Pandemie. Doch wie kann mehr Impfstoff möglichst rasch produziert und global verteilt werden? In der aktuellen Debatte trifft die Forderung nach Aussetzung des Patentschutzes für Covid-19-Impfstoffe auf Bedenken, dass dies notwendige Innovation langfristig verhindern könnte. Das Forum bringt die Standpunkte zusammen und fragt nach. Wie gelangen wir zu mehr globaler Gerechtigkeit in der Bekämpfung der Pandemie und sichern zugleich den Rahmen für Innovationen in der Arzneimittelforschung? Was bedeutet das in der Praxis?
In den Industrieländern geben sinkende Infektionszahlen und ein steigender Anteil geimpfter Menschen Anlass zu hoffen, dass Covid-19 bald überwunden sein könnte. Doch um die Pandemie langfristig zu besiegen und die Bildung von Mutationen einzudämmen, sollte der größte Teil der Weltbevölkerung möglichst rasch geimpft werden. Bislang haben Menschen in den ärmsten Ländern das größte Risiko an der Infektion zu sterben und die geringste Aussicht auf eine baldige Impfung.
Die Frage, wie mehr Impfstoff produziert und gerecht verteilt werden kann, wird derzeit heftig debattiert. Den Kern bildet die Forderung, den Patentschutz auf Corona-Impfstoffe auszusetzen. Doch führt dieser Weg wirklich zum Ziel oder bremst er notwendige Weiterentwicklungen? Das Forum erörtert die bisherigen Regelungen durch das internationale Patentrecht und fragt welche anderen Wege es geben kann, um rascher möglichst viel Menschen mit mehr Impfstoff zu versorgen.
Welche rechtlichen Regeln gelten für die Nutzung der von mRNA- und Vektor-Impfstoffen? Welche Verfahren, Abläufe und Inhaltsstoffe braucht es, um sie zu produzieren und zu verteilen und was sind die größten Hürden? Welche benötigen wir in Zukunft? Welche Folgen hätte die Aussetzung des Patentrechts als Eingriff des Staates in den Markt aktuell und auf lange Sicht, und was sollte getan werden, um Menschen in armen Ländern zu helfen?
Es diskutieren:
Prof. Dr. Reto Hilty, Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, München
Als Experte für internationales Patentrecht warnt er vor einer Aushebelung des Patenschutzes in einem aktuellen Positionspapier.
Elisabeth Massute, Ärzte ohne Grenzen
Mit der Medikamentenkampagne setzt sich Ärzte ohne Grenzen für den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten, Impfstoffen und Diagnostika für Menschen in ärmeren Ländern ein. In diesem Rahmen fordert Ärzte ohne Grenzen u.a. die Aussetzung des Patentschutzes für Covid-19-Technologien und schnelle Transfers der nötigen Technologien und des Know-how an geeignete Hersteller für eine Ausweitung der Produktion weltweit.
Prof. Dr. Stefan Kaufmann, Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin
Als emeritierter Direktor am MPI für Infektionsbiologie forscht Kaufmann seit Jahren über Infektionskrankheiten und ihre Bekämpfung und hat einen Impfstoff gegen Tuberkulose entwickelt, der nun in mehreren Phase III Studien auf Wirksamkeit getestet wird. Er kennt das Problem der Gesundheitsvorsorge in armen Ländern auch aus der Praxis.
Prof. Dr. Jochen Maas, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt-Hoechst
Jochen Maas leitet den deutschen Standort der globalen Forschung und Entwicklung bei einem der wichtigsten Pharmaunternehmen weltweit, das zwei Corona-Impfstoffmodalitäten – einen proteinbasierten und einen mRNA-Impfstoff - entwickelt. Der Impfstoff auf Proteinbasis befindet sich derzeit in der letzten klinischen Testphase und soll bei positivem Ausgang noch in diesem Jahr verfügbar sein.
Moderation: Volkart Wildermuth, Wissenschaftsjournalist
Youtube-Video der Diskussion aus dem Harnack-Haus in Berlin.