Studie  |  16.09.2024

Open Access prägt die wissenschaftliche Kommunikation

Open Access (OA) stellt einen grundlegenden Wandel im wissenschaftlichen Publikationswesen dar und zielt darauf ab, den uneingeschränkten Zugang zu mit Steuergeldern finanzierter Forschung und Daten zu gewährleisten. Mit einer neuen in Science publizierten Studie leisten Frank Mueller-Langer, Affiliated Research Fellow am Institut und Professor an der Universität der Bundeswehr München, und Mark McCabe, Professor an der SKEMA Business School, einen wichtigen Beitrag zum Diskurs über OA, indem sie die wirtschaftlichen, politischen und institutionellen Dynamiken analysieren, die den Wandel des wissenschaftlichen Publizierens bestimmen.

Ausschnitt des Deckblatts der Zeitschrift Science vom 13. September 2024
Deckblatt der Zeitschrift Science vom 13. September 2024

Die Open-Access-Bewegung strebt an, finanzielle Barrieren für den Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen abzubauen. Das wird unterstützt durch internationale Richtlinien wie die Berliner Erklärung (2003) und Initiativen wie die US-amerikanische White House Directive (2022). Bis 2025 müssen alle öffentlich geförderten US-amerikanischen Forschungsergebnisse kostenfrei und ohne Verzögerung zugänglich sein – ein Zeichen für die wachsende globale Bedeutung von OA.


Auswirkungen auf Forschende und Institutionen


Für Forschende ist die Veröffentlichung in renommierten, hochrangigen Fachzeitschriften entscheidend für ihre Karriereentwicklung. Historisch gesehen trugen Universitätsbibliotheken die Kosten für den Zugang zu Forschungsliteratur, was zu drastischen Preiserhöhungen führte – bekannt als „Zeitschriftenkrise“. OA versucht, diese Herausforderungen durch Modelle wie “Gold Open Access” (finanziert durch Artikelbearbeitungsgebühren – sog. APCs) und transformative Vereinbarungen (“Transformative Agreements” – sog. TAs) zu lösen, indem Kosten vom Lesen auf das Publizieren verlagert werden.


Doch die Diskussion ist kontrovers. Kritiker befürchten, dass APC-basierte Systeme die Qualität der Forschung gefährden könnten, indem sie Masse über Klasse stellen. Während OA zwar die Sichtbarkeit und Downloadzahlen erhöht, bleibt der Einfluss auf Zitationsmetriken hingegen moderat. Derweil versuchen transformative Vereinbarungen zwischen Verlagen und Institutionen, Kosten zu begrenzen, zeigen jedoch unterschiedliche Erfolge bei der Förderung von Wettbewerb und Transparenz.


Umfassende Analyse der Auswirkungen von Open Access


Die Autoren untersuchen nun, wie OA-Richtlinien, insbesondere TAs, die Dynamik zwischen Forschenden, Verlagen und Institutionen verändern. Sie heben hervor, dass OA die Sichtbarkeit wissenschaftlicher Arbeiten erhöht, jedoch auch neue Herausforderungen mit sich bringt, wie z.B. die potenziellen Auswirkungen auf die Qualität von Forschung durch APC-basierte Modelle.


Evaluation von Transformative Agreements (TAs)


Ein wesentlicher Fokus liegt auf TAs, bei denen Institutionen Abonnementkosten durch OA-Gebühren ersetzen. Die Autoren analysieren diese Vereinbarungen in Bezug auf ihre Effektivität und Anreizstrukturen, wobei sie aufzeigen, dass viele TAs (außer in Ausnahmefällen wie bei der University of California) keine ausreichenden Mechanismen enthalten, um Kosten effektiv zu kontrollieren.


Betonung von Marktstrukturen und Wettbewerb


Die Studie verdeutlicht, dass der Übergang zu OA sowohl Chancen als auch Risiken für den Wettbewerb zwischen Verlagen birgt. Während APC-basiertes OA theoretisch den Wettbewerb um Einreichungen von wissenschaftlichen Aufsätzen zwischen Verlagen durch sog. Single-Homing-Entscheidungen von Autor*innen verstärken könnte, warnen die Autoren vor der Gefahr, dass OA “Big Deals”, bei denen eine oder mehrere Universitäten und ein einzelner Verlag die APCs für die Veröffentlichung in den Zeitschriften des Verlags aushandeln, die Marktstruktur weiter konzentrieren und Innovation hemmen könnten.


Verknüpfung von Publikationen und Datenanalyse


Die Autoren zeigen auf, wie große Verlage wie Elsevier zunehmend Datenanalyse-Tools in ihr Geschäftsmodell integrieren, was zu einer stärkeren Marktstellung führen könnte. Diese Entwicklung wird kritisch reflektiert, da sie die Unabhängigkeit und den Wettbewerb im Bereich der wissenschaftlichen Datenanalyse beeinflussen könnte.


Politische Empfehlungen und Vorschläge für evidenzbasierte Experimente


Mueller-Langer und McCabe plädieren dafür, politische Maßnahmen wie die US-amerikanische White House Office of Science and Technology Policy (OSTP)-Initiative durch experimentelle Ansätze zu begleiten. Dies könnte dazu beitragen, die Effekte neuer Finanzierungs- und Publikationsmodelle besser zu verstehen und fundierte Richtlinien zu entwickeln.


Fazit


Die Autoren liefern wertvolle Einsichten darüber, wie OA-Strategien das Gleichgewicht zwischen Publikationskosten, Forschungszugang und Qualität beeinflussen könnten. Ihr Artikel unterstreicht die Notwendigkeit einer genauen Beobachtung und Evaluierung der Marktmechanismen, um langfristig eine nachhaltige und wettbewerbsfähige wissenschaftliche Kommunikationslandschaft zu gewährleisten.


Direkt zur Studie:

McCabe, Mark J.; Mueller-Langer, Frank (2024). Open Access Is Shaping Scientific Communication – Funders and Publishers Should Roll Out Policies in Ways to Support Their Evaluation, Science, 385 (6714), 1170-1172. Verfügbar unter https://doi.org/10.1126/science.adp8882