Verschiedenes  |  23.10.2020

Evaluation des Münchner Verfahrens in Patentstreitsachen – Die Ergebnisse liegen vor

Das Landgericht München I ist eines von nur 12 für Patentsachen zuständigen deutschen Gerichten und neben Mannheim und Düsseldorf einer der drei besonders wichtigen Gerichtsstandorte. Wichtiger Faktor für den Patentstandort München ist seit zehn Jahren das Münchner Verfahren, das in einem Forschungsprojekt am Institut evaluiert wurde.

Justizpalast München. Foto: Justiz Bayern.

Mit Europäischem Patentamt (EPA), Bundespatentgericht (BPatG), Deutschem Patent- und Markenamt (DPMA), Einrichtungen des geplanten Europäischen Einheitlichen Patentgerichts (EPG), Patentanwaltskammer, zahlreichen Rechts- und Patentanwälten, Patentdienstleistern sowie vielen innovations- und patentstarken bayerischen Unternehmen gilt München als „Patenthauptstadt“ in Europa.


Das Landgericht München I ist eines von nur 12 deutschen Gerichten, die für Patentsachen, insbesondere Patentverletzungsfälle, zuständig sind. In der Regel hat der Kläger die Wahl, welches Gericht er anruft. Das Landgericht München I mit seinen zwei Patentstreitkammern gehört im Hinblick auf die Zahl der Verfahren mit Düsseldorf und Mannheim zu den drei wichtigsten Standorten für Patentstreitsachen in Deutschland. Ein wesentlicher Faktor für den Patentstandort München ist das Münchner Verfahren.


Das Verfahren


Das „Münchner Verfahren in Patentstreitsachen“ wurde im Jahr 2009 am Landgericht München I eingeführt. Es beruht auf einer Initiative aus der Anwaltschaft, die von den damaligen Vorsitzenden der Patentverletzungskammern am Landgericht München I aufgegriffen und umgesetzt wurde. Das Münchner Verfahren bietet eine Alternative zu den Verfahren vor anderen Patentgerichten und wird so nur von den hiesigen beiden Patentkammern praktiziert.


Das Verfahren sieht zwei Termine vor. Der frühe erste Termin soll der Abschichtung und der Möglichkeit dienen, mit einer vorläufigen ersten Einschätzung der Kammer gegebenenfalls Vergleichsgespräche zu führen. Hierfür bietet das Landgericht München I eine Patentmediation an, d.h. ein Güterichterverfahren vor einem in Patentsachen erfahrenen Richter. Außerdem ist das Münchner Verfahren durch ein strenges Fristenregime charakterisiert: Die Anzahl der Schriftsätze und Fristen werden im frühen ersten Termin abgesprochen und in der Regel auch eingehalten. Sachverständige hören die Patentverletzungskammern nur in seltenen, technisch besonders komplexen Fällen. Durch diese Maßnahmen können die Verfahren bei optimalem Verlauf trotz der häufig hohen technischen Komplexität in unter einem Jahr erstinstanzlich abgeschlossen werden.


Wissenschaftliche Evaluation durch Max-Planck-Forscher – Die Ergebnisse


Zehn Jahre nach seiner Einführung wurde das Verfahren nun evaluiert, um Hinweise für die zukünftige Gestaltung zu erhalten. Die wissenschaftliche Evaluation führte das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb im Rahmen eines Forschungsprojektes durch. Für die Evaluation wurden Repräsentanten von Streitparteien mithilfe eines strukturierten Fragebogens befragt. Außerdem wurden systematisch Falldaten zur Länge und zum Ausgang von Streitverfahren erhoben. Die Ergebnisse wurden am Donnerstag, den 22. Oktober, im Justizpalast München in einer Online-Veranstaltung vorgestellt.


Insgesamt knapp 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Richter- und (Patent-)Anwaltschaft sowie Vertreterinnen und Vertreter von Fachpresse und Medien hatten die Gelegenheit, mit Dr. Thomas Ermer, Ministerialdirigent des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz, der Präsidentin des Landgerichts Dr. Andrea Schmidt, sowie Prof. Dietmar Harhoff, Ph.D., Direktor am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, und Dr. Sabine Rojahn, Rechtsanwältin im Bereich Patentrecht aus München, über die Ergebnisse der Evaluation sowie Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Münchner Verfahrens zu diskutieren.


„Die Beteiligung an unserer Befragung war ausgesprochen gut. Die Befragten wissen zu würdigen, dass mit dieser Befragung Anregungen aus der Anwaltschaft für die Weiterentwicklung des Münchner Verfahrens gewonnen werden“, berichtet Dietmar Harhoff.


Die Gesamtschau der Antworten der Befragungsteilnehmer zum Münchner Verfahren in Patentstreitsachen zeigt, dass das Verfahren mit seinem frühen ersten Termin, also zwei echten, inhaltlichen Terminen in kurzem Zeitrahmen, als herausragender Vorteil des Standortes München gesehen wird. Fast 80 Prozent der Befragten vertreten die Auffassung, dass die Einführung des Münchner Verfahrens die Attraktivität Münchens als Standort für Patentstreitverfahren beträchtlich gesteigert hat.


Dietmar Harhoff betont: „Anwälte schätzen in Patentstreitsachen vor allem Vorhersehbarkeit und qualitativ gut begründete Entscheidungen. Entsprechend empfehlen sie für die Weiterentwicklung des Standorts München vor allem Kontinuität bei der Besetzung der Kammern und eine stärkere Spezialisierung der Richter auf Patentrecht. Entsprechende Maßnahmen könnten die Attraktivität des Standorts weiter erhöhen.“


Die Befragung zeigte auch Ansätze für eine Weiterentwicklung der sogenannten Hinweise zum Münchner Verfahren auf, welche die beiden Kammern für Patentrecht prüfen und ggf. mit einer Aktualisierung dieser Hinweise umsetzen wollen.


Staatsminister Georg Eisenreich erklärte: „Die Patentstreitkammern sind eine wichtige Säule des Patentstandorts München. Neben unseren vielen innovations- und patentstarken Unternehmen, dem Deutschen Patent- und Markenamt und dem Europäischen Patentamt sichern die Patentstreitkammern die Durchsetzung gewerblicher Schutzrechte. Die Evaluation hat das bestätigt.“


Ein ausführlicher Bericht zu den Evaluationsergebnissen wird bis Ende des Jahres vorgelegt.


Ergänzende Informationen:
Pressemitteilung des Landgerichts München I zu den Ergebnissen der Evalution (22.10.2020)
Pressemitteilung des Landgerichts München I zur Neugründung einer Kammer für Urheberrecht (01.10.2020)
Interview mit Dr. Andrea Schmidt, Präsidentin des Landgerichts München I, bei JUVE-Patent (in Englisch)