Personalie  |  12.03.2015

In Memoriam Prof. Wolfgang Fikentscher

Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Fikentscher

Prof. Wolfgang Fikentscher, auswärtiges wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, ist am 12. März im Alter von 86 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalles gestorben.

Wolfgang Fikentscher zählte seit mehreren Jahrzehnten zu den großen Persönlichkeiten der deutschen Rechtswissenschaft mit internationaler Strahlkraft. Nach einem Studium in Erlangen und München führte ihn sein beruflicher Lebensweg als ordentlichen Professor über die Universitäten Münster und Tübingen an die Münchener Juristische Fakultät. Neben seiner Funktion als auswärtiges wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb war er Vorsitzender der Kommission für kulturanthropologische Studien an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Dem Münchner Büro des Gruter Institute for Law and Behavioral Research stand er als Direktor vor. Seine internationalen Erfahrungen reichen von einem LL.M.-Studium an der University of Michigan in Ann Arbor zu Gastprofessuren und Fellowships an der Georgetown University, in Ann Arbor, Yale, Nanjing, am Netherlands Institute of Advanced Study, am Santa Fe Institute und nicht zuletzt an der University of California (Berkeley), wo er noch mehrere Jahre nach seiner Emeritierung in München das Fach Rechtsanthropologie lehrte. Ausgezeichnet wurde er mit der Ehrendoktorwürde der Universität Zürich, dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, dem Bayerischen Verdienstorden sowie dem Max-Planck-Forschungspreis für seine rechtsanthropologischen Forschungen mit seinem Freund Robert Cooter.

Wolfgang Fikentscher hat viele Nachwuchswissenschaftler aktiv gefördert. Mit seinen Visionen und seinem Ideenreichtum bereicherte er das Denken zahlreicher Schüler und Doktoranden. Bis zu seinem Tode war ihm stets am Austausch mit den vielen Stipendiaten und Gastwissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb gelegen.

Wolfgang Fikentscher als Zivilrechtler, Wirtschaftsrechtler, Methodenlehrer und Rechtsanthropologen zu beschreiben, würde seinem Werk nur unzureichend gerecht. Dieses besticht nicht nur durch seine (inter)disziplinäre Breite, sondern vor allem durch eine ungeheure visionäre Kraft. Seine zentralen Veröffentlichungen eilten regelmäßig seiner Zeit voraus.

Dies gilt auch für jene Projekte, die er im Rahmen des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb durchführte. In der Überzeugung, dass das Immaterialgüterrecht einer Flankierung durch die Wettbewerbsordnung bedarf, betreute er über lange Jahre das Kartellrecht am Institut. Zu seinen großen Leistungen gehören diesbezüglich vor allem sein zweibändiges Lehrbuch zum Wirtschaftsrecht, das auch in die chinesische Sprache übersetzt wurde, sowie vor allem seine Zusammenarbeit mit der UNCTAD in Bezug auf die Entwicklung eines internationalen Kartellrechts und schließlich der auf seine Initiative durch eine internationale Wissenschaftlergruppe ausgearbeitete Text für ein internationales kartellrechtliches Abkommen („Draft International Antitrust Code“) aus dem Jahre 1993. Dieser sogenannte „Munich Code“ entsprang der Überzeugung, dass auch das WTO-System letztlich bindende kartellrechtliche Regeln braucht.

Nach seiner Emeritierung schlug Wolfgang Fikentschers Herz vor allem für die Rechtsanthropologie. Das darin zum Ausdruck kommende Streben, stets auch das Wirtschaftsrecht vom Individuum, seiner Freiheit und kulturellen Verwurzelung aus zu denken, steht für den Humanisten Wolfgang Fikentscher. Seine Überzeugung, dass auch die Wirtschaft Regeln unterliegen muss, die sicherstellen, dass die Wirtschaft dem Menschen dient und nicht umgekehrt, findet infolge der jüngeren Banken- und Wirtschaftskrise wieder breite Zustimmung. An Lösungen zur Bewältigung der Krise hat Wolfgang Fikentscher bis zuletzt gearbeitet.

Das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb trauert um einen großen Gelehrten, stets hilfsbereiten und äußerst engagierten Kollegen, dessen Offenheit gegenüber neuen Ideen, unterschiedlichsten Kulturen und den Menschen im Besonderen allen unvergesslich bleiben wird. Sein plötzlicher Tod hat uns tief bestürzt; unser Mitgefühl gilt seiner Familie, allen voran seiner Frau Irmgard und seinen Kindern und Enkelkindern.