Die Macht digitaler Plattformen stellt nicht nur Verbraucher und kleinere Unternehmen vor neue Herausforderungen, sondern auch die Wettbewerbsbehörden. Inwieweit die Wettbewerbspolitik neue Instrumente braucht, um Machtkonzentrationstendenzen in der Plattformökonomie entgegenwirken zu können, wird deswegen bereits seit längerem diskutiert.
Mit der 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) hat das Bundeswirtschaftsministerium einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der genau das vorsieht: Die geplante Novellierung soll dem Bundeskartellamt zusätzliche Instrumente an die Hand geben, um wirksamer gegen marktmächtige Digitalunternehmen vorgehen zu können. Ziel des Gesetzes ist nicht weniger als einen „digitalen Ordnungsrahmen“ zu schaffen.
Pünktlich zur offiziellen Bekanntgabe des Referentenentwurfs gab Thorsten Käseberg, Leiter des Referats Wettbewerbs- und Verbraucherpolitik im Bundeswirtschaftsministerium, im Rahmen des Münchner Kartellrechtsforums am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb einen Überblick über die geplanten Neuregelungen des „GWB-Digitalisierungsgesetzes“.
Politisches Kernstück des Referentenentwurfs ist die Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Digitalunternehmen. „Man kann sagen, dass der Wind an dieser Stelle deutlich gedreht hat“, fasste Käseberg zu Beginn seines Vortrages die Grundstimmung in der Gesellschaft, aber auch in vielen Wettbewerbsbehörden weltweit, zusammen. Immer mehr Beobachter wiesen mittlerweile darauf hin, dass die Behörden mit den aktuellen Regeln manche Verhaltensweisen von dominanten Unternehmen nicht mehr in den Griff bekommen könnten.
Die zunehmende Bedeutung von Daten als Wertschöpfungsfaktor greift die Novelle auf, indem sie den „Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten“ als zusätzliches Kriterium bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens einführt (§ 18 Abs. 3 GWB n.F.). Zudem hält im neuen Paragraphen 18 Abs. 3b das Konzept der „Intermediationsmacht“ als Faktor für die Ermittlung einer marktbeherrschenden Stellung Einzug in das Gesetz. Dadurch soll die Rolle, die Plattformunternehmen als Vermittler auf mehrseitigen Märkten typischerweise einnehmen, besser erfasst werden.
Den veränderten Rahmenbedingungen von digitalen Geschäftsmodellen trägt die GWB-Novelle auch durch eine Ausweitung der „Essential Facilities Doctrine“ Rechnung. „Wir haben versucht, den bisher auf rein physischen Infrastrukturen beruhenden Tatbestand zu öffnen und zu internationalisieren“, so Käseberg. Weigert sich ein marktbeherrschendes Unternehmen, einem anderen Unternehmen Zugang zu Daten zu gewähren, kann dieses Verhalten nach dem neuen Paragraphen 19 Abs. 2 Nr. 4 unter bestimmten Voraussetzungen als wettbewerbsrechtlich missbräuchlich eingestuft werden. „Auch, wenn wir die Frage der Governance von Daten damit nicht abschließend lösen können, wollen wir ein Instrument für den Fall eines klaren Missbrauchs schaffen.“
Besonders stark umkämpft dürfte nach Einschätzung von Käseberg der neue Paragraph 19a sein, der in Absatz 2 besondere Verhaltenspflichten für große Plattformunternehmen vorsieht, deren überragende marktübergreifende Bedeutung das Bundeskartellamt festgestellt hat. Die Behörde kann ihnen unter anderem untersagen, Angebote von Wettbewerbern anders zu behandeln als eigene Angebote (Selbstbegünstigungsverbot) und auf einem Markt, auf dem sie zwar nicht marktbeherrschend sind, ihre Stellung aber schnell ausbauen können, Wettbewerber zu behindern. Desweiteren kann das Bundeskartellamt ihnen untersagen, durch die Nutzung der von ihnen gesammelten Daten auf einem anderen Markt Zutrittsschranken zu errichten oder die Portabilität von Nutzerdaten zu erschweren.
Die deutsche Missbrauchskontrolle greift nach Paragraph 20 Abs. 1 bereits unterhalb der Schwelle von Marktmacht bei einer Abhängigkeit von Unternehmen. Gegenwärtig gelten diese Regelungen jedoch nur zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen. In der 10. GWB-Novelle ist eine Aufhebung dieser Beschränkung geplant.
Neben der Reform der Missbrauchsaufsicht möchte die 10. GWB-Novelle unter anderem die Aufgreifschwellen für die Fusionskontrolle anheben und die Kooperation von Unternehmen rechtssicherer machen. Umgesetzt wird mit der Gesetzesnovelle zudem die ECN+-Richtlinie, die eine Stärkung der Wettbewerbsbehörden in den Mitgliedstaaten der EU zum Ziel hat.