Am 1. August 2014 trat die vierte Novelle des "Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien", kurz "Erneuerbare-Energien-Gesetz" (EEG), in Kraft. Das EEG regelt die bevorzugte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen ins Stromnetz und garantiert den Erzeugern feste Einspeisevergütungen. Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wurden mit der Neuauflage Schwächen des bisherigen Gesetzes beseitigt und unrealistische Ausbauziele der erneuerbaren Energien angepasst.
Sechs Experten aus Wissenschaft und Praxis diskutierten am vergangenen 15. Oktober 2014 mit einem rund 50köpfigen sachkundigen Publikum - Banker, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Start-up-Unternehmer und Doktoranden der Ingenieurswissenschaften - auf Einladung des Münchner Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb im Rahmen der Seminarreihe "[IP]2 Intellectual Property in Practice" die möglichen Effekte der EEG-Novelle auf Innovationen im technologischen, unternehmerischen sowie prozessualen Bereich.
Im Rahmen einer thematischen Einführung lobte Regierungsrätin Christina Dörfler vom Referat "Energiepolitische Grundsatzfragen und Energierecht" im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie - sie war kurzfristig für den terminlich verhinderten Referatsleiter Gerd von Laffert eingesprungen - die Novelle und erläuterte die Gründe für dieselbe: Bremsen des starken Anstiegs der EEG-Umlage von 0,2 Cent pro Kilowattstunde (kWh) in 2000, dem Jahr des Inkrafttretens des EEG, auf aktuell 6,24 Cent pro kWh, sowie ein Verfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen des Verdachts auf unzulässige Staatshilfen. Nach Ansicht der Kommission verstoßen die Vergünstigungen für Industriebetriebe mit hohem Stromverbrauch gegen die Prinzipien des fairen Wettbewerbs in Europa. Die wesentlichste Änderung im Rahmen der Anpassung des EEG sei die Beteiligung der Anlageneigentümer an der EEG-Umlage, wobei Altanlagen Bestandschutz genießen und deren Eigentümer von der Beteiligung ausgenommen bleiben. Darüber hinaus gäbe es eine Bagatelle-Regelung, die Photovoltaikanlagen mit einer Maximalleistung von 10 kW und einer maximalen Jahreserzeugung von 10 MWh von der Beteiligung befreit. Frau Dörfler wies abschließend darauf hin, dass die Auswirkungen der Reform erst 2016 spürbar würden.
Urban Windelen, Geschäftsführer vom Bundesverband Energiespeicher, Berlin, moderierte die anschließende Podiumsdiskussion, die von einer allgemeinen Zustimmung zur EEG-Novelle geprägt war. Den Start machte Dr. Werner Schnappauf, Bayerischer Staatsminister a.D. für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, mit einer Assoziation zum Babynahrungsbereich: "Das EEG war das 'Alete' für die erneuerbaren Energien". Zwar führe das EEG dazu, dass Innovationen "auf der Strecke bleiben", da wegen der Förderung kein Druck bestehe, sich über Innovationen Gedanken zu machen. Trotzdem sei das EEG "eher Segen als Fluch", da ohne die feste Förderung die Entwicklung der letzten Jahre im Bereich erneuerbare Energien weder in Deutschland noch international möglich gewesen wäre. Insbesondere China habe durch den Ausbau der Photovoltaikindustrie dafür gesorgt, dass die Kosten für Photovoltaikanlagen stark gefallen seien. In den USA herrsche die Meinung vor, Deutschland sei weltweit der "Pacemaker", der Schrittmacher für die "Marktfähigkeitmachung der erneuerbaren Energien" gewesen. Deutschland habe, anders als andere Länder, einem rückwirkenden Eingriff in die EEG-Umlage widerstanden.
Anschließend kam der Geschäftsführer vom Deutschen CleanTech Institut mit Sitz in Bonn, Philipp Wolff, zu Wort: Das EEG sei "ein ganz wichtiges, 60-70fach kopiertes Erfolgsmodell", das durch Fukushima eine Beschleunigung erfahren habe. Die EEG-Novelle lenke den Fokus und die Investitionsströme "endlich auf andere Bereiche und Themen". Denn Clean Tech(nologies) seien nicht nur umweltfreundliche Energien und Energiespeicherung, sondern es gehörten fünf weitere Leitmärkte dazu: Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Wasserwirtschaft, nachhaltige Mobilität, Rohstoff- und Materialeffizienz sowie Energieeffizienz.
Für Andreas Flamm, Director Regulatory Affairs Europe bei der Münchner Entelios AG, einem Anbieter von Demand Response-Lösungen und virtuellen Kraftwerken zum Management von dezentralen elektrischen Verbrauchern, Speichern und Erzeugern, bedeutet die EEG-Novelle "keinen Kurswechsel", sondern die Richtung bleibe dieselbe, aber "man gucke auch nach links und rechts".
Christoph Dany, bei den Stadtwerken München für energiewirtschaftliche Grundsatzfragen zuständig, äußerte sich als einziger Diskutant ambivalent: "Wir sind mit der EEG-Novelle insgesamt zufrieden. Sie enthält viele richtige Gedanken, die aber zeitlich weit nach hinten geschoben wurden. Außerdem sind ein paar Stolpersteine und Kröten drinnen, die wir schlucken müssen".
Die Schlussworte übernahmen Dr. Werner Schnappauf und Philipp Wolff. Ersterer verwies darauf, dass die zentrale Frage der Energiewende der Netzausbau sei, denn man müsse den im Norden günstig produzierten Windstrom in den energieintensiven Süden, vor allem nach Bayern und Baden-Württemberg, transportieren. Wolff mahnte an, dass sich - wegen des deutschen Perfektionsanspruch es, der hohen Bedeutung von Datensicherheit und Datenschutz in Deutschland sowie der Scheu der Deutschen, moderne Technologien zu implementieren - die US-amerikanischen Verhältnisse mit "smart grids" und "smart homes" nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen ließen.
Die Organisatoren des Abends, Christian Steinle und Alexandru Steininger, wissenschaftlicher Mitarbeiter beziehungsweise wissenschaftliche Hilfskraft am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, zeigten sich mit der Veranstaltung, die mit einem Stehempfang endete, sehr zufrieden: "Wir untersuchen Innovationsprozesse und wollten, dass die Experten Visionen und Szenarien spinnen. Dazu muss man aber die konkreten Auswirkungen der Gesetzesnovelle, die erst ab dem Jahr 2016 erkennbar sein werden, abwarten. Uns ist es jedoch gelungen, mit den Diskutanten über den trockenen Tellerrand des Gesetzes zu schauen und deren Blick für mögliche Auswirkungen der Novelle auf CleanTech-Innovationen zu schärfen".