In einem ersten Schritt werden Regelungs- und Regelungskomplexkollisionen als methodisches Problem interpretiert und auf einem abstrakten Niveau bzw. von einem entfernten Blickpunkt aus behandelt. Dabei geht die Untersuchung zurück bis zu den instruktiven rechtsmethodologischen Arbeiten von Dietz (1934) und Engisch (1935) zu Normkollisionen und der Einheitlichkeit und Folgerichtigkeit der Rechtsordnung und entwickelt daraus ein modernes Handwerkszeug zur Auflösung von Normkollisionen, wobei die Einbettung des nationalen Rechts in die europäische Immaterialgüter- und Wettbewerbsrechtsordnung besondere Berücksichtigung findet. Dieses Handwerkszeug erhebt den Anspruch, über den konkreten Untersuchungsgegenstand hinaus auf alle denkbaren Rechtsüberschneidungen – dabei insbesondere auch jene von Immaterialgüterrechten – anwendbar zu sein. Aktuell rückt die Fragestellung mit Blick auf einen anderen Kollisionspartner des Urheberrechts – namentlich das Designrecht – in den Fokus der wissenschaftlichen Diskussion. Die diesbezüglichen Überlegungen des EuGH zur grundsätzlich kumulativen Anwendbarkeit kollidierender Regelungskomplexe (Rs. Cofemel) bedenkt die Arbeit dabei ebenso wie das Erfordernis einer wertungseinheitlichen, systematisch-teleologischen Interpretation im Einzelfall.
In einem zweiten Schritt arbeitet die Forschungsarbeit die Soll-Funktionen bzw. Zwecke beider Regelungskomplexe heraus und stellt sie in Verhältnis zueinander. Mit Blick auf das Urheberrecht entwirft sie ein integratives, monistisches Modell aus der Kombination eines wirtschaftsfunktionalen Primärzwecks mit zahlreichen – auch urheberpersönlichkeitsrechtlich geprägten – Sekundärzwecken. Primär- und Sekundärzwecke stehen dabei nicht in einem Rangverhältnis, sondern in einem Verhältnis funktionaler Abhängigkeit. Das Lauterkeitsrecht setzt die Arbeit ins Verhältnis zum Urheberrecht und postuliert ebenfalls einen monistischen Zweck. Mit Bezug auf die eingehende Untersuchung Peukerts zu Güterzuordnungszwecken im Lauterkeitsrecht gelangt sie zu dem Ergebnis, dass Urheberrecht und Lauterkeitsrecht gänzlich verschiedene Zwecke verfolgen. Während das Urheberrecht einem Markt für ein immaterielles Gut durch Anwendung des Ausschließlichkeitsprinzips erst zur Entstehung bringt, setzt das Lauterkeitsrecht einen bestehenden Markt bereits voraus und bezweckt den Schutz des Marktmechanismus und dabei insbesondere der Wettbewerbsfreiheit. Ein generelles Kumulationsverbot zwischen beiden Regelungskomplexen muss deshalb ausscheiden.
Die Untersuchung bleibt aber auf diesem abstrakten Niveau nicht stehen, sondern stellt die entwickelte Methode in einem letzten Schritt auf den Prüfstand. Anstatt sich auf reine akademische Theorie und die praktisch nur schwer anwendbare Forderung nach Wertungseinheitlichkeit zu beschränken, macht sie die Methode durch deren Illustration anhand von acht Fallgruppen greifbar. Gleichzeitig lassen sich die Thesen nachfolgend leichter überprüfen. Indem die Kollisionsmethodik anhand der konkreten Fallgruppen zur Anwendung gebracht wird, bietet die Studie Handelskammern und Rechtsanwendern ein anschauliches Handbuch zur Auflösung von Wertungswidersprüchen im Untersuchungsbereich, das über das Postulat abstrakter Methodenregeln weit hinausgeht.
Die vorliegende Arbeit greift beide Ansätze, den abstrakt-methodologischen und den einzelfallbezogenen, auf und verbindet so das Beste aus beiden Welten. Sie leistet einen Beitrag zur Methodenlehre unter Berücksichtigung des europäischen Rechts, zur Untersuchung der Soll-Funktionen von Urheber- und Lauterkeitsrecht im europäischen Binnenmarkt und schließlich zur Handhabung acht verschiedener konkreter Fallgestaltungen, die Kautelarpraxis und Rechtsprechung fortlaufend beschäftigen.
Publikation
Pielmeier, Timmy, Urheberrecht und Lauterkeitsrecht. Die Konkurrenz zweier Regelungskomplexe im Binnenmarkt (Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht, 185), Mohr Siebeck, Tübingen 2023, XIX + 490 Seiten, doi.org/10.1628/978-3-16-162072-0